Abnehmende Mobilität bei Arbeitnehmern, selbst bei noch ungebundenen Young Professionals und Berufseinsteigern, verstärkt den ohnehin deutlich erkennbaren Fachkräftemangel. Viele Unternehmen begegnen dieser Entwicklung deshalb mit dem Angebot an ihre Mitarbeiter, auch oder sogar nur im Home-Office zu arbeiten. Dass dabei in Bezug auf die Aufgabe, die Organisation und den Mitarbeiter vieles passen muss, wird häufig vergessen oder nicht betrachtet.
Ob eine Aufgabenstellung aus dem Home-Office erfolgreich ausgeführt werden kann, ist in dieser Eindimensionalität nicht zu beantworten. Vielmehr bedarf es der Betrachtung des Dreiecksverhältnisses aus Aufgabe, Unternehmen und Mitarbeiter. Nähern wir uns den drei genannten Aspekten zunächst einzeln an.
Die mit einer Position verbundene Aufgabe kann auf der einen Seite daran bewertet werden, welche Betriebsmittel verwendet werden und wie intensiv deren Einsatz ist. So wird es durchaus einleuchten, dass der Maschinenführer einer Drehmaschine diese nicht mit nachhause nehmen kann, die Sachbearbeitung im Vertriebsinnendienst mit einem ans Unternehmensnetzwerk angebundenen Laptop aber sehr wohl verlustfrei von Zuhause aus möglich ist. Weiterhin spielt der Ort der Aufgabenerfüllung eine große Rolle. Ein Baggerführer hebt die Baugrube dort aus, wo ein neues Haus entsteht, ein Konstrukteur ist mit seiner kreativen Leistungserbringung an keinen Ort gebunden. Schließlich kann, insbesondere bei Führungspositionen, zwischen Führung und Management unterschieden werden. Führende beeinflussen andere dazu, etwas Bestimmtes zu tun. Führung sollte daher nah am Geführten erfolgen. Management beschreibt ein Vorgehen in Regelkreisen, bei dem ein definierter Sollzustand durch geeignete Maßnahmen kontrolliert wird – auch dann, wenn vom Sollzustand abgewichen wird. Dies kann sicherlich auch aus der Ferne erfolgen. Sind dabei die Geführten regional weit verstreut, besteht für die Führungskraft die wesentliche Aufgabe darin, Nähe zu jedem einzelnen dieser Einzelkämpfer zu schaffen.
Oder
Um bewerten zu können, ob Home-Office für ein Unternehmen grundsätzlich in Frage kommt, müssen wir das Unternehmen als soziales Gebilde betrachten, in dem miteinander auf der Basis einer bestehenden Kultur, durch die Mitglieder der Organisation eine mehr oder weniger definierte Leistung erbracht wird. Da wäre zunächst das Miteinander von Individuen, gleich zwei wesentliche Aspekte. Zum einen bedeutet Miteinander nicht zwangsläufig auch „face-to-face“, zum anderen zeigen Individuen völlig unterschiedliche soziale Fähigkeiten und Erfahrungen, methodische und mediale Kompetenzen sowie Wünsche und Vorlieben. Dies verstärkt sich dann zusätzlich in einer Organisation, wo man meist auf landsmannschaftliche ähnliche Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen und Fähigkeiten trifft. So wird ein Vertriebsinnendienst, der es gewohnt ist, dass die Außendienstmitarbeiter ihre Anfragen täglich persönlich abgeben, einen Verkäufer im weit entfernten Home-Office genauso verhungern lassen, wie die Konstruktionsabteilung, welche tägliche, wenn auch kurze Besprechungen gewohnt ist, den jungen Konstrukteur, der von zuhause aus arbeitet. Letztlich spielt auch die Führungskultur im Unternehmen eine Rolle, am Ende des Tages auch vorgelebt durch die Unternehmensführung, die durch Vertrauen, „Auftragstaktik“ und Ergebnisorientierung geprägt sein kann, aber einem Kontrollzwang, dem Wunsch nach täglichem Appell und der Machtausübung durch Präsenz unterliegen.
Bleibt schließlich noch der einzelne Mitarbeiter, der für eine Tätigkeit aus dem Home-Office geeignet sein muss. Dabei spielen Aspekte, wie die räumlichen Möglichkeiten, zwar sicher eine untergeordnete Rolle, bedürfen aber genauso einer Berücksichtigung, wie die häusliche Situation, welche Ablenkungen, wie beispielsweise kleine Kinder, erschwert sein kann. Von einem verantwortungsvollen Mitarbeiter wird man sicherlich erwarten können, dass in diesen Fällen das Angebot eines Home-Office dankend abgelehnt wird. Andererseits wäre gerade dieser Mitarbeiter ein geeignetes Ziel des Vertrauens, welches man einem Arbeitnehmer im Home-Office sicherlich entgegenbringen muss. Es ist neben diesen Aspekten die Persönlichkeit des Mitarbeiters, die in ihr liegenden sozialen Bedürfnisse, die einer näheren Betrachtung bedürfen. Ein Mitarbeiter mit starker Ergebnisorientierung, einer hohen sozialen Unabhängigkeit, der es gewohnt ist, alleine zu arbeiten und dies auch gerne tun ist gut für den Einsatz im Home-Office geeignet und wird dort seine Leistung erbringen. Der einflussstarke Mitarbeiter, der das direkte soziale Feedback benötigt, aber auch der sozial abhängige Arbeitnehmer, der wahrgenommen werden möchte, auch mal ein Lob genießen will, ist sicherlich im Kreise der Belegschaft besser aufgehoben. Abschließend hat der regional dislozierte Mitarbeiter genauso eine Bringschuld, was Informationen, Kontakte und Austausch betrifft, wie die Organisation und ihre Mitglieder kommunikativ auf Home-Office-Kollegen vorbereitet sein muss.
Trotz der Vielschichtigkeit der betrachteten Aspekte, lohnt sich die Beschäftigung mit der Thematik „Home-Office“ für jedes Unternehmen. So kann ein Unternehmer, der seine Organisation für Home-Office-fit einstuft, bei genauerer Betrachtung Defizite aufdecken, und damit organisations- und personalentwickelnd tätig werden. Zum anderen sind viele Aspekte in der Organisation, den relevanten Prozessen und den Mitarbeitern, welche die Voraussetzungen für Tätigkeiten aus dem Home-Office befürworten würden, auch im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung relevant. Zu nennen sind hier vor allem die Mobilisierung von Mitarbeitern und Prozessen, die Dezentralisierung von Informationen und Entscheidungen und die Anforderungen an Flexibilität und Agilität.